The Case of 'Ju Mi pham and dPa' ris Rab gsal. A Study in dgag lan-Debate

04.05.2012

Markus Viehbeck

  • Betreuung: Helmut Tauscher / Franz-Karl Erhard

Das neunte Kapitel von Śāntidevas Bodhicaryāvatāra (BCA) bildet mit seiner Bestimmung der Konzepte der Leerheit (śūnyatā) und der zwei Wirklichkeiten/Wahrheiten (satyadvaya) seit jeher einen der wichtigsten indischen Grundlagentexte für die Darlegung und das Verständnis des Madhyamaka, der bedeutendsten philosophischen Schule in Tibet. Die Dissertation befasst sich mit der philosophie- und religionspolitischen Erschließung der Debatten, die sich im 19. Jh. in Osttibet an ’Ju Mi phams (1846–1912) Nor bu ke ta ka (NK), einem Kommentar zum neunten Kapitel des BCA, angeschlossen haben. Mi pham, der führende Philosoph der rNying ma pa-Schule und ein prominenter Vertreter der ris med-Bewegung, weicht in seiner Auslegung des BCA markant von der Sichtweise der religiös und politisch dominierenden dGe lugs pa-Schule ab und wurde daher zum Ziel vehementer Kritik: Im Anschluss an seinen NK entwickelte sich eine über zwei Jahrzehnte andauernde Debatte, die durch gegenseitigen Austausch von Streitschriften (dgag lan) geführt wurde. Als führendes Mitglied der ris-med-Bewegung, einer Bewegung, die durch die Betonung religiöser Vielfalt versuchte, der Dominanz der dGe lugs pa ein Gegengewicht entgegenzustellen, ist Mi pham nicht nur als philosophischer, sondern auch als politischer Gegner zu sehen. Obgleich die philosophiegeschichtliche und religionspolitische Bedeutung dieser Auseinandersetzung in der Tibetologie allgemein bekannt ist, wurde die Debatte – von einigen Detailstudien abgesehen – noch nicht als solche untersucht. Das vorliegende Dissertationsprojekt möchte diese Lücke in Form einer kritischen Studie und partiellen Übersetzung der für diese Auseinandersetzung bedeutendsten Werke beider Parteien schließen. Ausschlaggebendes Material sind dabei jene Texte, die zwischen Mi pham und dem wichtigsten Vertreter der dGe lugs pa-Schule, dPa' ris Blo bzang rab gsal (1840–1910), ausgetauscht wurden. Fokus der Untersuchung ist die philosophische Diskussion über die zentralen Themen des Madhyamaka. Hier gilt es, Position und Argumentation der jeweiligen Parteien genau zu bestimmen und den Verlauf der Diskussion über die Grenzen einzelner Texte hinweg aufzuzeigen. In einem zweiten Analyseschritt wird die Auseinandersetzung als exemplarischer Fall einer dgag lan-Debatte betrachtet und im Hinblick auf die strukturellen Merkmale dieses Genres untersucht. Eine ausführliche Einleitung wird den religionspolitischen Kontext der Kontroversen beleuchten. Mit Rücksicht auf die nach wie vor gegebene Aktualität des Themas und der Bedeutung von mündlicher Wissenstradierung in diesem Kontext ist die Studie in enger Zusammenarbeit mit tibetischen Gelehrten angelegt.