Mitarbeiter:
- Daniele Cuneo (01.09.2010-31.8.2011)
- Alessandro Graheli (01.07.2011-39.09.2011)
- Sung Yong Kang (01.11.2006-30.09.2011)
- Yasutaka Muroya (01.11.2006-31.8.2010)
Der Nyāya ("Logik"), bis in die Neuzeit hinein eine der wichtigsten Traditionen der klassischen indischen Philosophie, kristallisierte sich als eine systematische, vollentwickelte philosophische Tradition, mit starker Betonung von Metaphysik und Epistemologie, während der Zeit der Gupta-Herrscher in Südasien (4.-6. Jahrhundert) heraus. Das zentrale Grundwerk des Nyāya, das dem Weisen Akṣapāda aus dem Gotama-Klan zugeschriebene Nyāyasūtra, wurde höchstwahrscheinlich gegen Mitte des 5. Jahrhunderts von anonymen Bearbeitern finalisiert und kurz danach von dem Philosophen Vātsyāyana Pakṣilasvāmin in seiner Gänze kommentiert. Dieser frühe Kommentar, der lediglich als Nyāyabhāṣya („Kommentar zum Nyāya“) bekannt ist, ist von wesentlicher Bedeutung nicht nur für unser Verständnis der frühen Phase der Nyāya-Philosophie, sondern auch für unsere Kenntnis der anderen philosophischen Traditionen, die sich während der Gupta-Zeit und der vorangehenden Kushana-Zeit bildeten, da nur ein Bruchteil der reichen literarischen und wissenschaftlichen Produktion dieser Periode erhalten ist. Das Nyāyabhāṣya ist ferner der Hauptzeuge für die früheste Form, im Sinne des Umfangs und des Wortlautes, des Nyāyasūtra. Die große Wichtigkeit des Werkes, zusammen mit dem häufig unbefriedigenden Status des überlieferten Sanskrit-Textes, der in den gedruckten Ausgaben gegeben wird, verlangt eine neue, kritische Ausgabe des Nyāyabhāṣya. Auf ein erstes zweijähriges FWF-Projekt folgend, das die Grundlage für eine solche Ausgabe schuf, zielt das Projekt darauf ab, eine kritische Ausgabe bis Ende des dritten Kapitels (ungefähr zwei Drittel des Textes) auf Grundlage aller zugänglicher originaler Manuskripte des Werkes unter Berücksichtigung der (Sub-)Kommentare und sowie des sekundären, unabhängigen Zeugnisses anderer philosophischer Werke der klassischen und frühmittelalterlichen Periode zu erstellen. Zu diesem Zweck werden ca. 60 Handschriften des Nyāyabhāṣya, die im Vorprojekt beschafft und benutzt wurden, weiterhin als Grundlage dienen. Es sollen weiterhin Anstrengungen gemacht werden, Kopien bereits bekannter Manuskripte zu beschaffen und noch unbekannte Manuskripte in südasiatischen Sammlungen aufzufinden. Die anderen genannten Primärquellen, die ebenfalls in Handschriftenform untersucht werden sollen, werden unser Verständnis des Textes im Hinblick auf seinen wahrscheinlich ursprünglichen Wortlaut weiter verbessern. Eine angepasste Spezialsoftware, die die komplexen und umfangreichen Daten bewältigen kann, wird für die Kollationierung und Erstellung der kritischen Edition eingesetzt. Der daraus resultierende verlässlichere und wohl begründete Text wird dann als Basis für die Untersuchung ausgewählter Hauptthemen der Nyāya-Philosophie dienen und die Grundlage für eine neue kritische Übersetzung mit eingehenden philologischen und relevanten geschichtlichen Bemerkungen bilden, die das Ziel eines weiteren Projekts sein wird. In dieser Weise wird ein klares und verlässliches, historisch kontextualisiertes Bild der Metaphysik und Epistemologie entstehen, wie sie in der klassischen Nyāya-Tradition in ihrer Anfangsphase entwickelt und vertreten wurden.
Das Projekt ist daraufhin angelegt, Indologen und indologisch orientierten Philosophiehistorikern das vollständige Belegmaterial für den erstellten kritischen Text und zur Überlieferungsgeschichte des Nyāyabhāṣya wie des Nyāyasūtra darzubieten. Weiterhin wird es zur Erhaltung des gefährdeten Kulturschatzes beitragen, den die philosophischen Sankrit-Handschriften Südasiens darstellen.