Das Projekt untersucht zentrale Themen aus Dharmakīrtis Philosophie unter dem Gesichtspunkt ihres Verhältnisses zu zwei alternativen Ansätzen für die Erklärung des Entstehens mentaler Ereignisse, die paradigmatisch durch Sinneswahrnehmung repräsentiert sind. Es handelt sich dabei um die zwei traditionell mit den Schulen, oder Lehrsystemen, des Sautrāntika und Yogācāra in Verbindung gebrachten Ansätze. Ihr Hauptunterschied liegt in der Voraussetzung (Sautrāntika) bzw. Leugnung (Yogācāra) einer äusseren, nicht-mentalen Wirklichkeit, die die Grundlage für Erkenntnisinhalte zur Verfügung stellt.
An verschiedenen Stellen in den Kapiteln über die Wahrnehmung in den beiden Werken Pramāṇaviniścaya und insbesondere Pramāṇavārttika werden diese beiden Ansätze herangezogen, explizit oder implizit. Auf sie wird Bezug genommen in Diskussionen solch zentraler Themen wie dem Verhältnis zwischen Mittel und Ergebnis gültiger Erkenntnis oder der Natur des Selbsterkennens (svasaṃvedana).
Im vorliegenden Projekt wird versucht, die betreffenden Argumente philosophisch zu rekonstruieren, insbesondere vor dem Hintergrund der Fragestellung, wie Dharmakīrti diese traditionellen Ansätze verwendet oder auch weiter entwickelt. Hauptbezugspunkt wird dabei Tilmann Vetters oft übersehene Arbeit "Erkenntnisprobleme bei Dharmakīrti" (Wien 1964) sein.
Diese philosophisch ausgerichtete Studie wird auf der Grundlage solider philologischer Vorarbeiten erstellt, wobei neu verfügbares Manuskriptmaterial (im Fall des Pramāṇaviniścaya) und neu verfügbares photographisches Material von bereits edierten Manuskripten (Negative und Abzüge von Manuskripten der Pramāṇavārttika-Verse aus der Tucci-Sammlung in Rom) verwendet wird