Das Projekt, das von Univ.-Prof. Dr. Martin Gaenszle geleitet und am Forschungszentrum CIRDIS (Center for Interdisciplinary Research and Documentation of Inner and South Asian Cultural History) der Universität Wien angesiedelt ist, beabsichtigt, den wissenschaftlichen Nachlass des österreichischen Tibetologen und Anthropologen René de Nebesky-Wojkowitz aufzuarbeiten und die fachgeschichtliche Bedeutung seiner Studien zu den Religionen und Kulturen Tibets sowie zur Ritualpraxis in Nepal und Nordostindien aufzuzeigen.
Das vierjährige Projekt konzentriert sich dabei auf die drei Asienreisen Nebesky-Wojkowitzs in den 1950ern und auf seine Arbeit an der Universität Wien sowie am ehemaligen Museum für Völkerkunde (heute Weltmuseum Wien), wo er die tibetische und nepalesische Kultur einem interessierten Publikum näher brachte. Mit seiner sprachlichen Qualifikation, seinem kulturanthropologischen Zugang und seinem Interesse für lebende Religionen, war er Wegbereiter für eine neue Methode, die man als „Ethno-Tibetologie“ bezeichnen kann und die sowohl das Studium der Tibetologie und Buddhismuskunde in Wien, als auch die wissenschaftliche Perspektive zahlreicher Kolleginnen und Kollegen im Ausland prägte.
Das Ziel des Projekts ist die Sichtung, Archivierung, interdisziplinäre Analyse und digitale Verfügbarmachung aller vorhandenen Daten und Materialien – wie unpublizierte Feldnotizen, Tonaufnahmen, Filme, Fotografien, tibetische Manuskripte und Buchdrucke, sowie mehrere hunderte ethnographische und künstlerische Objekte, die Nebesky-Wojkowitz während seiner Reisen zusammengetragen hatte. Ein Großteil dieses umfangreichen und heterogenen Nachlasses wurde dem Weltmuseum Wien überlassen, weitere Bestände befinden sich in diversen Archiven und Bibliotheken weltweit, unter anderem in Kopenhagen, Leiden und London.
Unter besonderer Berücksichtigung des geographischen, politischen und historischen Hintergrunds der Forschungsreisen von Nebesky-Wojkowitz, sowie seines Forschungsnetzwerks, soll eine Landkarte der Kulturlandschaften (‘Cultural Map‘) erstellt werden, die das heterogene und verstreute Material verortet und in seiner Gesamtheit präsentiert. Das gesammelte Material wird entsprechend den Prinzipien von LangzeitErhaltung und Open Access in der CIRDIS Datenbank archiviert und digital zugänglich gemacht.
Die Neubewertung des Wissenschaftlers Nebesky-Wojkowitz, seiner Interessen, seiner Forschungsstrategien und Methoden soll zu einem umfassenderen Bild der akademischen Geschichte der Kulturanthropologie Süd- und Zentralasiens wie auch der Tibetologie beitragen, nicht nur im Hinblick auf die Universität Wien, sondern auch bezüglich der Wirkung weltweit. Dies beinhaltet auch die öffentliche Erschließung der Bedeutung und des Wertes seiner leider viel zu wenig beachteten Sammlung im Weltmuseum Wien, die für zukünftige Programme und Ausstellungskonzepte des Museums ein großen Beitrag leisten kann.