Translation in Tibet. Tibetische Übersetzungsmethoden und terminologische Begriffsarbeit und ‐entwicklung im tibetischen Buddhismus

30.05.2017

Jasmin Eisenbeutel

  • Betreuung: Klaus-Dieter Mathes

Die Übersetzungsarbeit in Tibet stellt in der modernen Translationswissenschaft ein neues Forschungsfeld dar, das im Rahmen der vorliegenden Arbeit näher beleuchtet wird. Theoretisches und historisches Fundament bildet die tibetische Übersetzungsgeschichte, weist sie doch einige bemerkenswerte Aspekte auf wie etwa die Entwicklung einer tibetisch-buddhistischen Fachsprache im religiösen philosophisch-erkenntnistheoretischen Bereich im 7. Jahrhundert n. Chr. und die darauf aufbauende normative terminologische Begriffsarbeit, die in der Erstellung des "großen etymologischen Lexikons" (Skt. Mahāvyutpatti) gipfelte. Die Mahāyutpatti (zusammen mit der Madhyavyutpatti, die verbindliche Übersetzungsrichtlinien enthält) bildete die Grundlage für eine standardisierte translatorische Praxis im Alten Tibet und wurde - per königlichem Dekret - von tibetischen Übersetzern (Lo tsā bas) und indischen Schriftgelehrten (Paṇḍitas) erarbeitet. Man spricht hier vom sog. Paṇḍita-Lo tsā ba-Modell, also von Übersetzungsteams, die den Löwenanteil der buddhistischen Literatur aus dem Sanskrit ins Tibetische übersetzt haben und daher aus translationswissenschaftlicher Sicht unabdingbare Aktanten im Sinne des Kulturtransfers sind. Vor diesem Hintergrund liegt der Fokus des vorliegenden Forschungsprojektes auf der gegenwärtigen translationsrelevanten terminologischen Praxis im Kontext der Philosophie und Erkenntnistheorie des tibetischen Buddhismus. Gegenstand sind dabei vier deutsche Übersetzungen tibetischer erkenntnistheoretisch-logischer Ausgangstexte, auf deren Basis eine terminologische Begriffsanalyse anhand des Instrumentariums der Wüsterschen Terminologielehre durchgeführt und in Form eines Glossars präsentiert wird. Dadurch soll der Status quo der deutschen terminologischen Landschaft eruiert und gleichzeitig der Ausgangspunkt der empirischen Studie ermittelt werden. Anhand qualitativer ExpertInneninterviews wird das konkrete übersetzungsrelevante terminologische Praxisfeld des tibetischen Buddhismus erstmalig aus translationswissenschaftlicher Perspektive analysiert. Das Hauptaugenmerk liegt dabei einerseits auf praxisnahen Übersetzungsbeispielen sowie auf zu übersetzenden Begriffsdefinitionen (Tibetisch > Deutsch) und andererseits auf den Expertlnnenmeinungen hinsichtlich einer Standardisierung bzw. Diversität der buddhistischen Fachsprache. Da dies die erste translationsrelevante terminologische Studie im tibetisch-buddhistischen Bereich darstellt, ist eher ein bescheidener, wohl aber fruchtbarer Erkenntnisgewinn zu erwarten, der den Grundstein für weitere wissenschaftliche Forschungen in diesem Feld legen kann.