Politiker als Anti-Helden. Der Wandel journalistischer Schreibtraditionen im neoliberalen Indien

11.11.2009 18:15

Ursula Rao | University of New South Wales, Sydney

Der Vortag betrachtet, wie sich das Bild von Politkern in der indischen Presse in den letzten 15 Jahren gewandelt hat. Journalisten schreiben immer seltener Respekt ein-flößende Portraits von Politikgrößen. Vielmehr lieben sie die politische Glosse. Sie suchen bewusst nach den Schwächen von Leitfiguren und beschreiben im Detail die komplizierten Winkelzüge machthungriger und egoistischer Führungspersönlichkeiten. Die Entzaube-rung des Politischen wird befördert von den strukturellen Veränderungen in einer Gesell-schaft im Wandel. Die neuen Perspektiven auf das Politische entstehen in einem sich wan-delnden Berufsumfeld, in dem Journalisten immer stärker selbst im Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit stehen. Journalisten beweisen sich als analytische Köpfe, die überraschende neue Einsichten befördern. Sie tun dies als Mitglieder einer aufstrebenden Mittelklasse, die von den Marktreformen profitiert haben.

Indem der Vortrag journalistische Praktiken vor dem Hintergrund größerer gesellschaft-licher Entwicklungen betrachtet, leistet er einen Beitrag zur ethnologischen Diskussion über Formen des Neoliberalismus. Im Speziellen wird diskutiert, wie lokale Praktiken sich einem ideologischen Wandel anschmiegen, der das Bild von Indien verändert hat. Das kommerzielle Indien gilt nicht länger als Entwicklungsland, sondern als Nation potenter Konsumenten. Journalisten agieren als Teil der neuen Elite dieses selbstbewussten Indien.

Organiser:
ISTB