Indiens Drittes Geschlecht zwischen Tradition und Moderne

29.06.2018 15:15 - 17:00

Elisabeth Schömbucher-Kusterer | Lehrstuhl für Indologie, Universität Würzburg

Indiens Drittes Geschlecht, Hijras, Mann-zu-Frau transsexuelle Personen, sind Teil des öffentlichen Lebens, ihre gesellschaftliche Rolle hat eine lange Tradition. Sie betteln an Verkehrsampeln, in Zügen, im Bazar. Die indischen Epen kennen zahlreiche Beispiele von Geschlechtswechseln. Hijras sind sowohl Ritualspezialistinnen als auch Sexarbeiterinnen. Es ist vor allem diese Ambivalenz zwischen religiöser Bedeutung und sozialer Ausgrenzung, durch die sie weltweit bekannt wurden. Mit der Anerkennung eines dritten Geschlechts als Personenstand bezeugt auch die staatliche Politik einen alternativen Umgang mit der heteronormativen Geschlechterordnung.

Das Leben von Hijras hat EthnologInnen und IndologInnen seit jeher fasziniert, wie zahlreiche Publikationen bezeugen. Seit einigen Jahren geben Hijras in Autobiographien Einblicke in ihre Lebenssituation und zeigen ganz unterschiedliche Konstruktionen von Transgender-Identitäten in Indien auf. So sind es überwiegend Mann-zu-Frau trans*idente Personen, die in den epischen Texten und im aktuellen Diskurs in Erscheinung treten. Frau-zu-Mann trans*idente Personen werden erst in den letzten Jahren öffentlich sichtbar. Neben den häufig beschriebenen Hijras gibt es weitere Mann-zu-Frau trans*idente Gruppen, wie die Aravanis in Tamil Nadu und die Jogappas in Karnataka. Alle drei Gruppen bewegen sich in einem Geflecht von unterschiedlichen Körpervorstellungen und unterschiedlichen kulturellen Praktiken.

Im Gegensatz zu einer kulturalistischen Betrachtungsweise sollen in diesem Vortrag die betroffenen Personen als Handelnde in einem Geflecht von sozialen, ökonomischen, rechtlichen und religiösen Strukturen betrachtet werden.

Organiser:
Institut für Südasien-, Tibet- und Buddhismuskunde
Location:
Seminarraum 1 des Instituts, Spitalgasse 2, Hof 2.7, 1090 Wien