Eine Tochter Nepals im Aufbruch. Radha Paudels autobiografische Erzählung "Die Attacke auf Khalanga"

23.05.2018

Waltraud Hubinger

  • Betreuung: Martin Gaenszle

Die autobiographische Erzählung Khalangama Hamala ("Die Attacke auf Khalanga: Tagebuch einer Krankenschwester") wurde 2013 erstmalig in Nepal in nepalesischer Sprache publiziert und mit einer der höchsten literarischen Anerkennungen Nepals, dem mit NRs 200.000,00 dotierten "Madan Puraskar" - Preis, ausgezeichnet.

Die Autorin Radha Paudel war im Zeitraum von 2001 bis 2004 als ausgebildete Krankenschwester, Gemeindefürsorgerin und Gesundheitspädagogin beruflich in Jumla, Khalanga Basar, der Bezirkshauptstadt Jumlas, als Leiterin eines bilateralen Entwicklungsprogramms tätig. Als unmittelbare Zeitzeugin erlebte sie die intensivsten Kampfphasen des von 1996 bis 2006 dauernden, die westlichen Regionen Nepals besonders in Mitleidenschaft ziehenden, maoistischen Bürgerkrieges. Radha Paudel beschreibt in Khalangama Hamala nicht nur die rund um die maoistische Attacke auf Khalanga am 14. November 2002 stattgefundenen Ereignisse, die dabei enormen materiellen und menschlichen Verluste, sondern dokumentiert auch sehr ausführlich die prekären Lebensbedingungen der in der Region lebenden Bevölkerung. Als Autobiographin skizziert sie wichtige Stationen und Ereignisse ihres persönlichen Lebens-, Ausbildungs- und Berufsweges. Sie reflektiert persönliche wie berufliche Motivationen und Zielsetzungen, die sie letztendlich nach Khalanga geführt hatten.

Mittels der Methode der rekonstruktiven Fallanalyse nach Rosenthal (1995) werden zuerst von der Autorin als relevant erscheinende Inhaltsfelder der gesamten Erzählung gesucht und analysiert. Mittels der anschließenden Rekonstruktion sowohl der erlebten als auch der erzählten Geschichte und deren Kontrastierung werden Struktur und Gestalt sowohl der erzählten Geschichte als auch der Selbstbeschreibung herausgearbeitet. In der Arbeit werden sowohl die Gründe und Motivationen zum Verfassen des Buches als auch die Erwartungen der Autorin über die Wirkungen der Veröffentlichung herausgearbeitet. Zusätzlich wird im Text nach Hinweisen gesucht, die das hohe Maß an Handlungsfähigkeit (Agency) der Autorin schon von Jugend an erklären können.

Die Ergebnisse der rekonstruktiven Analyse zeigen, dass die Autorin ihr Buch sowohl als Augenzeugenbericht der stattgefundenen Attacke, aber auch als Protokoll der von ihr während ihres Aufenthalts in Khalanga festgestellten sozial- und gesellschaftsbedingten Benachteiligungen der ortsansässigen Bevölkerung geschrieben hat. Einerseits sieht sie es, wie sie gleich zu Beginn in ihrem Vorwort festhält, als ihren persönlichen Versuch, offene Wunden bzw. zurückgebliebene Narben, die der zehnjährige Volkskrieg in der vom Konflikt am ärgsten betroffenen Regionen Nepals hinterließ, zu heilen. Andererseits kann das Buch aber auch als eine Art Bekenntnis der Autorin zu dem von ihr eingeschlagenen, gewaltlosen Weg als soziale Gesellschaftsreformerin gesehen werden. Zusätzlich ist es eine literarisch interessante Darstellung des intensiven Versuchs einer autobiographischen Selbstfindung im Spannungsfeld des sozialen und gesellschaftlichen Wandel Nepals im Laufe des bisherigen Lebenswegs der Autorin.