Die Welten indischer Asketen und abendländischer Religiosen: normative Strukturen und ihre textlichen Darstellungen

01.11.2013

Edgar Leitan

  • Betreuung: Karin Preisendanz / Gert Melville

Dieses Dissertationsprojekt ist im Rahmen einer interdisziplinären cotutelle de thèse sowohl an der Universität Wien (Institut für Südasien-, Tibet- und Buddhismuskunde) als auch an der Technischen Universität Dresden (Forschungsstelle für vergleichende Ordensgeschichte, Graduiertenkolleg zum interreligiösen Vergleich monastischer Kulturen) angesiedelt.

Asketentum in seinen unterschiedlichen Formen scheint zunächst ein überall präsentes, kultur- und religionsgeschichtlich äußerst wichtiges Phänomen zu sein, das sowohl im christlichen Abendland als auch im Südasien in vielerlei Formen im Laufe der Geschichte auftrat und teilweise nach wie vor einflussreich ist. Das Ziel des vorliegenden Projektes besteht daher im Versuch, einen hermeneutisch durchdachten interreligiösen Vergleich vormoderner asketischer Kulturen anhand der Analyse ausgewählter repräsentativer originalsprachlicher Texte (in Sanskrit und Latein) vorzunehmen. Als konzeptuelle Vergleichsbasis hierzu dient der Überbegriff der Normativität, welche in verschiedenen asketischen oder monastischen Traditionen ganz unterschiedliche textliche Realisierungen und inhaltliche Füllungen findet. Die Arbeit beschränkt sich zunächst auf die Erschließung der bis jetzt in der indologischen Forschung kaum beachteten normativen dharmaśāstra-ähnlichen Texte des Brahmanentums, welche innerhalb der großen autoritativen Textkorpora des Mahābhārata und der Purāṇas überliefert sind und in welchen verschiedene Aspekte des Lebens zweier unterschiedlicher Typen von brahmanischen Asketen – Waldeinsiedlern und Entsagern – beschrieben werden. Diese explizit normativen als auch einige andere, als formativ zu bezeichnende Texte (wie z. B. gewisse Werke der indischen schönen Literatur (kāvya), in denen u.a. speziell brahmanische Asketen dargestellt werden) lassen ein variables Imaginarium von symbolbeladener Stärke und semantischer Dichte beim Leser und Rezipienten entstehen, welches vielfältig in mehrere Bereiche des indischen religiösen Lebens und der damit verbundenen Weltanschauungen ausstrahlt. Aspekte dieser „normativen Welten“ samt ihren weltanschaulichen Vorstellungen werden nun anhand einiger fundamentaler normativer Strukturen mit ebensolchen „Welten“ christlicher Religiosen verglichen.

In diesem Zusammenhang ergeben sich einige Fragestellungen. Kann man von der Universalität asketischer Lebensweisen als einer Art zentraler „anthropologischer Konstanten“ im Kontext verschiedener religiöser Kulturen sinnvoll sprechen? Sind diese Lebensweisen prinzipiell vergleichbar, und wenn ja, wie und inwiefern? Was ist das Wesen der Kategorie „Normativität“ in diesen Kontexten? Was heißt es überhaupt, Asketentum interreligiös zu vergleichen? Gibt es einen methodisch korrekten Zugang zum Vergleich solcher komplexer Phänomene sowie einen erkenntnistheoretischen Wert der Vergleichsergebnisse? Diese Fragen sind zunächst heuristischer Natur. Sie sollen aber im Laufe der Arbeit konkreter beantwortet und gegebenenfalls neu formuliert bzw. weitergeführt werden. Somit kann dieses Projekt auch als ein Beitrag zum aktuellen Anliegen des interreligiösen Dialogs angesehen werden. Die Arbeit wird in deutscher Sprache verfasst.