Philosophie und Medizin im frühklassischen Indien III

01.04.2011 - 31.03.2016

Leitung: Karin Preisendanz

FWF, P23330

Mitarbeiter:

  • Vitus Angermeier (01.04.2013 - 31.01.2014 / 01.04.2014 - 30.04.2014 / 01.09.2014-31-07.2015 / 01.10.2015-28.02.2016)
  • Heidrun Jäger (21.10.2015-31.03.2016)
  • Thomas Kintaert (01.11.2015-30.03.2016 )
  • Cristina Pecchia (18.07.2011-17.10.2012 und 16.12.2012-16.1.2013)
  • Dimitri Robl (15.11.2015 - 31.3.2016)
  • Dominik Wujastyk (01.04.2011-30.04.2014)
  • Alexander Wrona (1.3.2016-31.3.2016)

Die klassische indische Medizin (Āyurveda) ist eine der wenigen wissenschaftlichen Disziplinen, die in der Gegenwart fortlebt und blüht. Der Āyurveda wird von der indischen Regierung als Teil des nationalen Gesundheitswesens unterstützt und erlebt international einen Aufschwung als Komplementär- oder Alternativmedizin. Zur Bestätigung ihrer Theorien und Praktiken beziehen sich die Interessenvertreter des Āyurveda gern auf sein hohes Alter und seine frühe Literatur. Dennoch ist bis jetzt noch keiner der grundlegenden Texte des Āyurveda kritisch herausgegeben oder wissenschaftlich übersetzt worden. Der Āyurveda ist ferner von tiefgreifender Bedeutung für das Verständnis der Entwicklung der klassischen indischen Philosophie. Die altindischen Ärzte entwickelten nämlich Methoden der Debatte, Analyse und Interpretation sowie theoretische Grundlagen ihrer Wissenschaft, die nicht nur bei philosophischen Traditionen Anleihe nahmen, sondern auch zur weiteren Herausbildung bestimmter Konzepte und Theorien beitrugen. Das volle Verständnis dieser Beziehungen und ihre Bedeutung ist nur auf der Grundlage kritisch herausgegebener Texte und philologisch fundierter Übersetzungen und Studien möglich.

Das Projekt sprach die genannten Punkte mit der Erstellung einer kritischen Ausgabe und Übersetzung eines grundlegend wichtigen Teils der Carakasaṃhitā (ca. 1. bis 2. Jh. u.Z.), nämlich Vimānasthāna Kapitel 1, an, ferner durch den Abschluss einer kritischen Ausgabe von Vimānasthāna Kapitel 8 und durch die Dokumentation des umfangreichen Zeugnisses der 60 Handschriften zu Vimānasthāna Kapitel 2-7 und Śārīrasthāna, Kapitel 1-3. Diese Teile des Werks behandeln Themen wie die Ätiologie von Krankheiten, die menschliche Anatomie, Pathologie, Epidemiologie, Epistemologie, Embryologie, die verkörperte Seele, den Mikro- und Makrokosmos sowie den Weg zur spirituellen Erlösung behandeln. Selbst rein medizinische Themen werden unter Verwendung von Begriffen besprochen, die philosophische Tragweite haben. Das Projekt baute auf dem Erfolg früherer FWF-Projekte auf, die die Universität Wien zu einem international anerkannten Exzellenzzentrum für die Herausgabe, Übersetzung und Interpretation der frühklassischen ayurvedischen Literatur gemacht haben. Im Rahmen dieser Projekte wurde auch das weltweit größte digitale Archiv von Manuskripten der Carakasaṃhitā und ihrer Kommentare geschaffen. Die innovative Verwendung von Informationstechnik aus dem Bereich der Entwicklungsbiologie in Verbindung mit verfeinerten traditionellen Methoden der Textanalyse hat zu einem Durchbruch bei der stemmatischen Analyse von Manuskripten geführt. Auf dieser Grundlage erweiterte das Projekt das wissenschaftliche Gesamtvorhabens auf neue Gebiete. Die entstandenen Veröffentlichungen behandeln u.a. grundlegende Themen der medizinischen Epistemologie und Diskussionskultur und die Verwendung von frühen philosophischen Ideen des Nyāya, Vaiśeṣika und Sāṃkhya sowie der buddhistischen Philosophie in der Carakasaṃhitā, ihre Textgeschichte im weiteren Kontext der oralen und textlichen Praktiken des alten Indien unter dem Aspekt der Strukturierung des Textes und der Kapitelbenennungen, und die zahlreichen gedruckten Ausgaben des Werkes im weiteren kulturgeschichtlichen, politisch-geschichtlichen und wissenschaftsgeschichtlichen Kontext, ferner die theoretischen Grundannahmen und Methodologie der kritischen Herausgabe seines Textes vor dem Hintergrund des Stemmas. Ferner wurden Einstellungen gegenüber dem Körper und dem Arztberuf im alten Indien untersucht