Metaphysik und Epistemologie des Nyāya III

01.05.2012 - 30.09.2016

Leitung: Karin Preisendanz

FWF, P24388

Mitarbeit:

  • Alexandra Böckle (15.11.2015 - 15.5.2016 / 01.07.2016 - 30.09.2016)
  • Alessandro Graheli (01.05.2012 - 15.11.2015)
  • Heidrun Jäger (01.05.2016 - 31.07.2016)
  • Dimitri Robl (06.06.2016 - 05.08.2016)
  • Michael Williams (01.10.2012 - 30.09.2015)

Der Nyāya ("Logik"), bis in die Neuzeit hinein eine der wichtigsten Traditionen innerhalb der indischen Philosophie, kristallisierte sich als eine voll entwickelte philosophische Tradition, mit starker Betonung von Metaphysik und Epistemologie, während der Zeit der Gupta-Herrscher in Südasien (4.-6. Jahrhundert) heraus. Das zentrale, in Sanskrit verfasste Grundwerk des Nyāya, das dem Weisen Akṣapāda aus dem Gotama-Klan zugeschriebene Nyāyasūtra (NS), entstand höchstwahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts und wurde kurz danach von dem Philosophen Vātsyāyana Pakṣilasvāmin kommentiert. Dieser Kommentar, der lediglich als Nyāyabhāṣya ("Kommentar zum Nyāya") (NBh) bekannt ist, ist von wesentlicher Bedeutung nicht nur für unser Verständnis der frühen Phase der Nyāya-Philosophie, sondern auch für unsere Kenntnis der anderen philosophischen Traditionen, die sich während der Gupta-Zeit formierten, da nur ein Bruchteil der reichen literarischen und wissenschaftlichen Produktion dieser Periode erhalten blieb. Das NBh ist ferner der Hauptzeuge für die früheste Form des NS, im Sinne seiner Konstitution und des genauen Wortlauts. Dieser Stellenwert des Werkes, zusammen mit dem häufig unbefriedigenden Status des überlieferten Sanskrit-Textes, der in den gedruckten Ausgaben zu finden ist, verlangte eine neue, kritische Ausgabe des NBh.

Der Text von mehr als 50 Handschriften des NBh wurde für den Text des ersten Kapitels und des ersten Teils des zweiten Kapitels des Werks kollationiert und – auch unter Verwendung unabhängiger Textzeugen – studiert. Die in einem Vorgängerprojekt des FWF aufgestellte stemmatische Hypothese konnte – unterstützt durch neue kladistische Analysen mit aus der Phylogenetik übernommenen Instrumenten und aufgrund von Beobachtungen zu formalen Aspekten des Textes in den Handschriften – wesentlich verbessert sowie neue Linien horizontaler Überlieferung festgestellt werden. Die mit einer innovativen Methode computergestützter traditioneller Textkritik erstellte kritische Ausgabe des Trisūtrībhāṣya, des programmatischen Kommentars zu NS 1.1.1–3, konnte so revidiert werden und steht nun vor ihrer Veröffentlichung in einer umfangreichen Monographie, die auch eine Publikationsgeschichte des NBh, einen historischen Überblick über alle bekannten Handschriften des Werkes und eingehende Beschreibungen der verwendeten Handschriften bietet, ferner eine Darlegung und argumentative Absicherung der Textgenealogie des NBh sowie eine Darstellung der textkritischen Methode. Die Ausgabe des gesamten ersten Kapitels wird folgen. Eine Anzahl von Aufsätzen konnte – mit Bezug auf den nun gut fundierten Text des NBh und unter Verwendung der im Projekt entwickelten Methoden – neues Licht auf die Überlieferungsgeschichte des NS und NBh und auf Hauptthemen der Nyāya-Philosophie werfen, auch in ihrer späteren Entwicklung und ihrer Interaktion mit anderen philosophischen Traditionen Südasiens.